Stand: 23.09.2005

Der „Alte Turm“ bei Aach im Hegau 

 

Landschaftlich sehr reizvoll direkt über der größten Quelle Deutschlands, der Aachquelle, gelegen erhebt sich die Ruine einer frühmittelalterlichen Turmburg, des sogenannten „Alten Turms“ bei Aach im Hegau:

 

 

Der „Alte Turm“ ist eine der besterhaltenen frühsalierzeitlichen Turmburgen in Deutschland und damit baugeschichtlich hochinteressant. Er ist damit eines der ältesten erhaltenen Bauwerke aus der Zeit, als erstmals Angehörige des höheren Adels Ihre bisher aus Holz erbauten Herrschaftssitze aus Stein errichteten.

Burgenkundlich gehört der „Alte Turm“ zu den Ringburgen. Die Ringburg war eine Weiterentwicklung der sogenannten „Motte“ (vom französichen „la Motte“; der Hügel)

Bei der Motte wurde einfach ein natürlicher oder künstlich mit dem Aushub des Burggrabens aufgeworfener Hügel verwendet um darauf einen Wohnturm (anfänglich aus Holz, später auch aus Stein) zu errichten. Bei der Ringburg wurde dann noch als zusätzlicher Schutz ein Mauerring um die Burg gezogen. Dieser Mauerring bestand anfänglich (ab dem 8. Jahrundert) aus einer einfachen Holzpalisade. Später (an dem 10. Jahrhundert) wurde, wie beim „Alten Turm“ ein einfacher Mauerring aus Stein errichtet. Vielleicht mit Torturm doch noch ohne Schildmauer, Zwinger, vorspringende Bastionen oder sonstige Raffinessen, diese Wehrtechnischen Neuerungen beim Burgenbau kamen erst mit den Kreuzzügen zur Stauferzeit auf.

 

Hier eine beispielhafte Abbildung einer Motte/Ringburg aus dem Buch „Kleine Burgenkunde“ von Herbert de Caboga-Stuber aus dem Jahr 1961:

 

Aufgrund einer vor kurzem von Mitgliedern „Nellenburger Kreises“ (einem Zusammenschluß von Burgenkundlich interessierten Heimatforschern im Hegau) in Auftrag gegebenen, und von der Universität Hohenheim durchgeführten, C-14 Datierung eines im Mauerwerk eingeschlossenen Kohlestückchens wurde eine Erbauung im Zeitraum von ca. 1020 – 1050 n. Chr. festgestellt. Damit wäre der „Alte Turm“ am Anfang der Salierzeit erbaut worden (die Salier waren ein fränkisches Adelsgeschlecht, das von 1024 – 1125 die Könige und Kaiser des römisch-deutschen Reiches stellte).

Da der Kalk für den Mörtel beim Burgenbau gleich vor Ort gebrannt wurde, fielen oft Kohlestückchen in die Mauer und bieten so Gelegenheit die Bauzeit zu datieren.

Der „Alte Turm“ ist damit wohl die älteste in Stein errichtete Bug des Hegaus und sogar noch älter als die Tudoburg, nur der so genannte „Spiecher“ in Hohnstetten (eine in der nähe gelegene Turmburg) könnte ein ähnlich hohes Alter aufweisen.

 

Das Sichtmauerwerk aus sauber geschichteten Kleinquadern ist ungewöhnlich fein und sorgfältig ausgeführt. Gerade bei einer so frühen Erbauungszeit, als man nördlich der Alpen gerade begann solche Großbauten aus Stein zu verwirklichen, erstaunt die Qualität der Ausführung. Selbst mit heutigen Mitteln könnte man eine Mauer aus Natursteinen kaum besser errichten. Das deutet auf Auftraggeber aus dem Hochadel hin, die damals wohl als einzige über die Mittel verfügten ein für seine Zeit solch ungewöhnliches Bauwerk zu errichten.

 

Hier sieht man sehr gut wie sorgfältig das Sichtmauerwerk gearbeitet wurde:

 

Ein Blick in den Innenraum zeigt, das der Wohnturm mindestens 4 Stockwerke gehaben haben muß. Das unterste Stockwerk, das normalerweise als Vorratsraum und fallweise als Verlies gedient hat, liegt heute größtenteils im Erdreich verborgen:

Man erkennt ebenfalls, die Balkenlöcher die die einzelnen Stockwerke voneinander abgrenzen und das im 2. und 4. Stock noch sehr gut erhaltene Blendmauerwerk.

 

An dem erhaltenen Teil der Mauer kann man sehr gut die verwendete Zweischalen-Mauertechnik erkennen. Wie auch bei der nahegelegenen Tudoburg wurde innen und außen wurde eine Mauerwand aus schön zugehauenen Steinen errichtet, und der Innenraum dazwischen einfach mit schräg gestapeltem Kalksteinmaterial in „Fischgrättechnik“ (sogenannte Opisspicatum-Technik) aufgefüllt. Diese Mauertechnik war bei den ersten aus Stein errichteten Befestigungsanlagen von der Salierzeit bis in die frühe Stauferzeit (ca. 11. – 12. Jahrhundert) weit verbreitet und schon seit der Römerzeit bekannt. Sie erinnert vom System her noch an die von der Kelten- bis zur Merowingerzeit verbreitete Holz-Erde-Mauer-Bautechnik, bei der der Zwischenraum zwischen zwei Holzpalisaden mit Erde aufgefüllt wurde, so dass eine Mauer entstand, die breit genug war einen Wehrgang zu tragen.

Die rechteckigen Löcher die längs in der Mauer verlaufen dienten zur Aufnahme von Holzbalken, die Spannungen im Mauerwerk dämpfen sollten.

 

Um 1100 wird ein Ritter „Odalricus von Ahe“ (Ulrich von Aach) in einer Urkunde des Grafen Burkard von Nellenburg (einem Angehörigen des Hochadels, dem die Nellenburg beim nahen Stockach gehörte) als Zeuge einer Schenkung an das Kloster Allerheiligen erwähnt. Dieser „Odalricus von Ahe“ könnte damals der Besitzer des „Alten Turms“ gewesen sein, da sich der Adel seit dem 11. Jahrhundert nach seinen Besitztümern zu nennen begann. Aber das ist nur eine Vermutung.

 

 

Es wurde spekuliert, daß die Burg im Städtekrieg 1387 zerstört wurde. Aber genaues über den Untergang der Burg ist nicht bekannt. Das deutet auf einen frühen Zeitpunkt der Zerstörung oder Auflassung hin, da die Geschichte des Hegaus seit dem Schweizerkrieg recht gut schriftlich dokumentiert wurde. Auch wurde die Burg nicht wieder auf- oder umgebaut. Ein Glücksfall, der uns heute die Sicht auf eine so frühe Turmburg ermöglicht.

 

Bereits 1138 kam der „Alte Turm“ erstmals in den Besitz des Konstanzer Hochstiftes und blieb (mit der Stadt Aach und dem Umland) auch lange im Besitz der Konstanzer Bischöfe. Vielleicht mit ein Grund für den relativ guten Erhaltungszustand, da man sich auch als die Burg schon eine Ruine war, am Besitz des mächtigen Bischofs nicht vergreifen wollte um Baumaterial zu gewinnen. Dem Konstanzer Bischof soll der „Alte Turm“ als Jagdschloß gedient haben. Begehungen durch die Burgenforscher Uwe Frank und Ralf Schrage brachten jedoch keine Oberflächenfunde von Keramik zu Tage, die sich auf einen Zeitrauch nach 1200 n. Chr. datieren ließen.

 

 

Innenansicht:

 

Eine Tafel am „Alten Turm“ erläutert kurz die wenigen bekannten Daten zur Geschichte (ob der alte Turm aber wirklich als Steinbruch zum Straßenbau diente ist aufgrund seiner guten Erhaltung umstritten, ebenso wie die angebliche Zerstörung 1387):

 

1997 wurde eine leider recht unfachmännische Sanierung des alten Turms durchgeführt.

 

Hier eine exemplarische Abbildung einer frühmittelalterlichen Turmburg aus dem bereits oben genannten Buch von Herbert de Caboga-Stuber. So ähnlich – allerdings mit fünfeckigem Grundriss und einer umfassenden Ringmauer - könnte auch der Aufbau des „Alten Turms“ bei Aach seinerzeit gewesen sein:

 

Alte Postkarte mit Ansicht der Aachquelle und des oberhalb gelegenen "Alten Turms":

 

 

Quellen:

 

Bücher:

      -     "Ritter, Bauern und Burgen im Hegau" von Rainer Kiewat; ISBN-Nr.: 3-7977-0144-6;1986 Verlag Stadler Konstanz

      -     "Burgen – einst und jetzt" Band II von Arthur Hauptmann; ISBN-Nr.: 3-87799-075-4; 1987 Verlag des Südkurier, Konstanz

-          "Burgen Schlösser Festungen im Hegau" von Dr. Michael Losse und Hans Noll; ISBN-Nr.: 3-9806273-2-2; erschienen 2001 im Verlag Michael Greuter, Singen

-          "Hegau“ Jahrbuch des Hegaugschichtsvereins Nr. 61/2004; ISBN-Nr.: 3-933356-22-9; Artikel von Ralf Schrage „Der „Alte Turm“ – Die Burg über dem Aachtopf“ Seite 205-210

-          "Kleine Burgenkunde“ von Herbert de Caboga-Stuber, erschienen 1961 im Verlag Kurt Schroeder, Bonn

 

Vortrag des „Nellenburger Kreises“ und des Hegaugeschichtsvereins (www.hegaugeschichtsverein.de) vom 2.07.2005 „Der Alte Turm in Aach und die Aachhöhlen" - Die Burgen- bzw. Höhlenforscher Ralf Schrage und Rudolf Martin erläuterten die neuesten Forschungsergebnisse zum Alten Turm und an der Doline mit Schacht zum verzweigten Höhlensystem der Aach

 

 

 

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