Stand: 6.10.2007

Grabhügel in Südwestdeutschland

  

In fast allen vorgeschichtlichen und antiken Gemeinschaften spielt der Totenkult um verstorbene Herrscher eine mehr oder weniger besondere Rolle in der Legitimierung und Erhaltung von herrschaftlicher Macht. Das ein Herrscher seinen Vorgänger mit viel Aufwand bestattete war eine wohlüberlegte Inszenierung, um sich selbst als legitimer und unbestrittener Nachfolger zu präsentieren. Ebenso diente die Sorge um die Gebeine lange zuvor verstorbener Persönlichkeiten dazu, sich in eine heroische bzw. mythische Tradition zu stellen. Die Grabmale der verstorbenen Herrscher sollten daher folgerichtigerweise als Symbole staatlicher Macht und Kontinuität möglichst groß und stabil sein, damit über Generationen hinweg Eindruck erzielt werden konnte. Als Bauform wurden daher zu allen Zeiten und in allen Erdteilen immer wieder Hügelgräber, Kurgane und Pyramiden gewählt, da diese mit den damaligen technischen Möglichkeiten Monumentalität und Dauerhaftigkeit in perfekter Weise miteinander verbanden.

 

Vereinfachte Zeittafel

Epoche ungefähre Zeitstellung Kulturkreis Besonderheiten

Grabhügel als typische Grabforum

Beispiele
Jungsteinzeit (neolithikum) 4000 v.d.Z - 2000 v.d.Z Megalithkultur Dolmengräber (auch Steinkistengräber genannt) X Wutöschingen-Degernau
Kupfersteinzeit (chalkolithikum) 2800 v.d.Z - 2200 v.d.Z Schnurbandkeramiker Einzelbestattungen unter Grabhügeln. Die Toten wurde mit angezogenen Beinen bestattet (Hockergrab), wobei Frauen immer mit dem Kopf nach Osten und Männer mit dem Kopf nach Westen liegen. Der Blick aller Toten war stets nach Süden gerichtet. Regelhafter Grabbeigabe von Pfeil und Bogen sowie einer aus Bein gefertigten Armschutzplatte, die den Arm vor der zurückschnellenden Bogensehen schützte X Wahlwies
Frübronzezeit 2200 v.d.Z - 1500 v.d.Z Glockenbecherkultur noch stark neolithisch geprägte Grabkultur: Hockergräber - typische Beigaben bestanden aus einem Glockenförmigen Becher, einer schmalen Armschutzplatte, Pfeilspitzen und manchmal einem Dolch aus Bronze oder Kupfer. -  
Mittelbronzezeit 1500 v.d.Z - 1300 v.d.Z Hügelgräberbronzeit (Hallstatt A) kleinere Einzelgrabhügel in denen die Toten nun in gestreckter Lage beigelegt werden X  
Spätbronzezeit 1300 v.d.Z - 850 v.d.Z Urnenfelderkultur (Hallstatt B) keine Hügelgräber, sondern Brandbestattung. Die Asche wurde in Urnen gleichförmig auf Friedhöfen beigesetzt (den namensgebenden Urnenfeldern). Erste Eisenfunde - Mahlspüren
Eisenzeit  800 v.d.Z - 600 v.d.Z West-Hallstatt C Errichtung großer Grabhügel. Schwert als Grabbeigabe bei Männern. Auch Frauen werden in Grabhügeln bestattet. X  
   600 v.d.Z - 450 v.d.Z West-Hallstatt D Errichtung großer Fürstengrabhügel. Dolch statt Schwert als Grabbeigabe bei Männern. Auch Frauen werden in Grabhügeln bestattet. X Hochdorf, Magdelenenberg, Hohmichele
   450 v.d.Z - 15 n.d.Z Latène  In der frühen Latène-Zeit Abruch der Grabhügeltradition. Es kommen wieder Brandbestattungen in Mode - Kleinaspergle
Spätantike  215 n.d.Z - 600 n.d.Z Alemannen Umbruch heidnischer zur christlichen Begräbnistradition - Normalfall ist die Körperbestattung in Reihengräbern. Vereinzelt werden aber wieder Grabhügel angelegt. -  
Frühmittelalter  600 n.d.Z - 750 n.d.Z Merowinger vereinzelte Anlage kleiner Grabhügel. Ansonsten ist die Bevölkerung nun bereits weitgehend christianisiert -  

 

Ein der Megalithkultur zugeordnetes Steinkastengrab bei Wutöschingen-Degernau in der Nähe von Waldshut-Tiengen. Dieses Großsteingrab ist nicht original sondern eine Rekonstruktion anhand der 1936 vom Lehrer Joseph Schneider gefunden Steinplatten des Grabes. Die Deckenplatte und Teile der Einstiegsplatte sind Original, während der Rest des Grabes rekonstruiert wurde. An der Stirnseite befindet sich eine als Seelenloch bezeichnete Öffnung. Der Ausdruck Seelenloch beruht auf der Hypothese, die Errichter der Anlagen hätten das Loch in der Frontplatte ausgespart, um den Seelen der Bestatteten die Reise ins Jenseits zu ermöglichen. Die tatsächliche Funktion dieser Öffnung ist aber unbekannt. In Norddeutschland (Hünengräber), in Frankreich (wo sie "allée couverte" genannt werden) und der Schweiz findet man solche Dolmengräber und auch andere Relikte der Megalithkultur häufiger, in Süddeutschland hingegen ist ein jungzeitliches Grab dieses Typs einzigartig. Bei dieser Rekonstruktion sind die seitlichen Steinplatten durchgehend und ohne Lücken aufgestellt, darüber kann man sich streiten, da es auch andere Beispiele gibt. In sichtweite befindet sich auf einem Hügel ein wiederaufgerichteter Menhir von rund 2 m Höhe, der ebenfalls von Joseph Schneider entdeckt wurde.

 

Einer der seltsamsten und geheimnisvollsten Grabhügel - in der Mitte der 1,7 ha großen, alten und eindrucksvollen Wallanlage "Alte Burg" bei Langenenslingen gelegen. Der Grabhügel ist nur noch knapp unter 1 m hoch, aber einer der wenigen, der aus Bruchsteinen aufgeschüttet wurde. Th. Zingeler unternahm hier 1894 eine Ausgrabung, bei der Er in der Mitte des Hügels in 3 m tiefe eine aus Steinen gesetzte Grabkammer von 1,70 auf 0,70 m fand. Diese Grabkammer enthielt 6 übereinandergestapelte Skelette. Außerdem fanden sich verbrannte Knochen und große Scherben mit, wie Zingeler beschrieb "Schnurornament und Fingerspitzeneindrücken". Auch Außerhalb der Kammer fanden sich vereinzelt Skelettreste. Eine solche Bestattung ist meines Wissens nach einzigartig - und daher leider auch zeitlich nicht einzuorden. Die Zeitstellung ist hier eh die große Frage. Die Keramikscherben wurden ins Museum nach Sigmaringen verbracht, sind dort aber leider nicht mehr aufzufinden. Ein Schicksal vieler früher Funde.  Eine genaue Datierung kann daher nicht mehr vorgenommen werden. Nach der Beschreibung Zingelers drängt sich aber der Verdacht auf Jungsteinzeitliche Schnurbandkeramik gerade zu auf. Wahrscheinlich ist der Hügel deshalb auch auf den topographischen Karten des Landesvermessungsamtes als "neolithischer Grabhügel" eingetragen. In der näheren Umgebung wurden weitere Einzelfunde von Keramikscherben gemacht, die aber der Hallstattzeit zugeordnet wurden. Die Wallanlage "Alte Burg" mit Ihren Mehrfachwällen und dem ausgeklügelten Eingangssystem wurde vom bekannten Archäologen Jörg Biel 1987 in seinem Buch "Vorgeschichtliche Höhensiedlungen in Südwürttemberg-Hohenzollern" als nachrömisch eingestuft. Wie diese ganzen Datierungen zusammenpassen ist noch sehr unklar. Wieso hat man z. Bsp. inmitten einer nachrömischen Wallanlage einen so seltsamen Grabhügel stehen lassen? Die Steine hätte man ja auch gut als Baumaterial z. Bsp. zur Verstärkung der Wallaussenseite verwenden können? Respekt vor den Ahnen? Ich vermute aber eher, dass Wallanlage und Grabhügel zeitlich zusammenpassen müssen - was heißen würde, das entweder der Grabhügel aus jüngerer Zeit ist, oder die Wallanlage viel älter als angenommen. Auch bei der nahen Heuneburg in Hundersingen hat man lange angenommen das die steilen Wälle von einem Ausbau in nachrömischer Zeit stammen müssen, bis man vor ein paar Jahren Holzstücke im Wallgraben fand, die sich noch in die Hallstattzeit datieren ließen.

Neuere Grabungen wurden im Jahre 2007 vorgenommen, und brachten weitere überraschende Ergebnisse zutage. Hier die Website des Forschungsprojektes " Frühe Zentralisierungs- und Urbanisierungsprozesse":  http://www.fuerstensitze.de/1162_Projektbeschreibung.html (bitte bis zum Abschnitt "Grabungen auf der Alten Burg" scrollen)

 

Der "Kleinaspergle" in der nähe von Ludwigsburg. Einer der letzten hallstattzeitlichen Fürstengrabhügel, in ihm fand man bereits Grabbeigaben die sich der Latenézeit zuordnen lassen. Es handelte sich auch um Brandbestattungen und nicht wie zu Anfang der Hallstatt-Kultur üblich um Körperbestattungen. In diesem Grabhügel wurde auch eine kleine etruskische Sphinx aus Elfenbein gefunden. Die Region um den Hohenasperg gelangte seinerzeit wohl durch Salzabau und Handel zu einigem Wohlstand.

 

Blick vom Grabhügel "Kleinaspergle" auf den ehemaligen Fürstensitz "Hohenasperg", der seine Umgebung um gut 100 m überragt und auf dem sich die Renaissance-Landesfestung Hohenasperg befindet, die noch heute als Gefängnis benutzt wird. Vom Hohenasper sind außer einigen Keramikscherben keine vorgeschichtlichen Funde bekannt, was aufgrund der intensiven Bebauung seit dem Mittelalter nicht verwundert. Ein Keltischer Fürstensitz darf aber aufgrund einiger südlich und östlich gelegener Fürstengrabhügel als sicher gelten. Derartige Großgrabhügel der Hallstatt-Epoche wurden meist in Sichtweite des zugehörigen Fürstensitzes errichtet.

 

Einer der berühmtesten Grabhügel - die wiederaufgeschüttete Grabstätte des Fürsten von Eberdingen-Hochdorf. Ursprünglich war der Grabhügel durch die Landwirtschaft völlig eingeebnet und wurde erst 1978 wiederentdeckt, als einer geologisch kundigen ehrenamtlichen Mitarbeiterin des Landesdenkmalamtes aufgefallen war, das sich auf dem Acker ortsfremdes Gestein befand, das zur Grabkammer oder zum Steinkranz eines Grabhügels gehört haben könnte. Unter dem Stuttgarter Archäologen Jörg Biel förderten die folgenden Ausgrabungen ein noch unberührtes Fürstengrab mit erstaunlich reichen Grabbeigaben zutage, die heute im Keltenmuseum von Hochdorf zu besichtigen sind. Bemerkenswert war die Ausführung der Grabkammer - während sich ansonsten einfach Grabkammern finden, war die eigentliche Grabkammer von Hochdorf von einer zweite, größeren eingefasst. Allerdings waren diese beiden Kammern viel gröber ausgeführt, als etwa die zentrale Grabkammer des Magdalenenberges. Und auf diese beiden Grabkammern wurde eine große Steinpackung aufgeschüttet, die die Grabkammern fest umschloss. Vielleicht mit ein Grund, warum dieses Grab nie ausgeraubt wurde. Datiert wird dieses Grab auf die Zeit um 550 v.d.Z.

 

Der mit 14 m höchste Grabhügel Mitteleuropas - der Hohmichele bei Hundersingen. Bei einer groß angelegten Ausgrabung 1937 fand man das Zentralgrab bereits Ausgeraubt vor. Aber man hatte dennoch Glück, etwas höher und zur Seite hin versetzt fand man eine reich ausgestattete Nachbestattung, eine aus Eichenholz gezimmerte, flache Grabkammer mit der Doppelbestattung eines Paares. Die Frau lag unter einem vierrädrigen Kultwagen, der Mann daneben. Beigaben waren Pfeil und Bogen, Pferdegeschirr, Bronzegefäße und ein Weidenkörbchen mit Schmuck. Bemerkenswert ist die Kleidung der Frau, sie bestand aus mit echter Seide bestickter Wolle. Diese konnte nur aus dem fernen Osten stammen. Ein Beleg für die weit reichenden Handelsverbindungen bereits zur Hallstattzeit (ca. 800 - 450 v.d.Z.)

 

Die Gießhübel-Gruppe bei der Heuneburg bei Hundersingen. Diese beiden Grabenhügel stehen, zusammen mit den beiden im Wald gelegenen Grabhügeln der Talhau-Gruppe, auf den Resten einer offenbar erst kurz vor dem Grabhügelbau aufgelassenen Außensiedlung der Heuneburg. Reiche Gräber wurden als Nachbestattungen in diese Hügel eingebracht, da in dieser letzten Phase der hallstattlichen Heuneburg keine neuen Grabhügel mehr aufgeschüttet wurden. Zentralkammern waren beraubt, bzw. erste Grabungen in den 1870er Jahren schlecht dokumentiert.

 

Der Volumenmäßig größte Grabhügel - der Magdalenenberg bei Villingen-Schwenningen. Seine Höhe beträgt ca. 8 m, der Durchmesser runde 100 m und beinhaltet ein Volumen von ca. 45.000 Kubikmetern. Neben dem Hauptgrab wurden 126 Nebengräber mit 136 Bestattungen gefunden, was ebenfalls einen Rekord darstellen dürfte. Der zugehörige hallstattzeitliche Fürstensitz hat sich möglicherweise auf dem Kapf, einer Bergzunge beim Zusammenfluss von Kirnach und Brigach, gegenüber vom Bahnhof Kirnach in etwa 773 m ü. NN. befunden. Die ersten dokumentierten Ausgrabungen fanden 1890 statt. Doch erst eine von 1970-73 durchgeführte Grabung brachte einige Funde zutage, die heute im Franziskaner-Museum in Villingen-Schwenningen gezeigt werden. Die mit hoher Zimmermannskunst bearbeiteten Eichenbohlen der 5 x 8 m großen Grabkammer wurden nach dendrochronologischer Untersuchung um 616 v.d.Z. gefällt. Man fand auch die Paddelartigen Schaufeln, die rund 30 Jahre danach (ebenfalls durch dendrochronologie festgestellt) offensichtlich von Grabräubern gebraucht wurden um das Grab wieder zu öffnen.

 

Einer der letzten errichteten Grabhügel - in der Gemarkung Eggwald bei Brigachtal liegt ein Grabhügelfeld aus alemannischer, bzw. sogar schon merowingischer Zeit. In dem Abgebildeten Beispiel wurde ein merowingisches Familiengrab entdeckt. Es ist ein rätsel, wieso die alemannen manchmal die Tradition der Grabhügelbestattung wieder aufnahmen, nachdem diese währende der Latenè-Zeit geruht hatte. Zumal alemannische Grabhügel eine Ausnahme darstellen. Die typisch alemannische Begräbnisform war das Reihengrab.

 

 

Literatur Quellen:

"Führer zu Stätten der Ur- und Frühgeschichte. Am Bodensee und Hochrhein" von Hans Stather; Verlag Stadler Konstanz; 1982;  ISBN-10: 3797700733

"Vorgeschichtliche Höhensiedlungen in Südwürttemberg-Hohenzollern" von Jörg Biel, Theiss Verlag Stuttgart;1987; 352 Seiten; ISBN-10: 380620778X

"Wege zu den Kelten - 100 Ausflüge in die Vergangenheit“ von Thomas F. Klein; Theiss Verlag; 2004; ISBN 3 8062 1840 4

 

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